Schweigen ist Gold: Wenn Nicht-Kommunizieren der klügste Move ist
In der PR gibt es einen Reflex, der tief sitzt: „Wir müssen etwas sagen.“
Ob Krise, Gerücht oder Trend. Das Pressestatement liegt oft schon in der Schublade, bevor man überhaupt analysiert hat, ob Reden wirklich klug ist.
Dabei kann Schweigen nicht nur schützen, sondern strategisch enorm wirksam sein.
Der Mythos „Wer schweigt, verliert“
Viele gehen davon aus, dass Schweigen automatisch ein Schuldeingeständnis ist. Das kann stimmen, muss es aber nicht. Gerade in einer Zeit, in der jede öffentliche Äußerung binnen Minuten seziert, skandalisiert und weiterverbreitet wird, kann das Risiko eines vorschnellen Statements größer sein als das Risiko, einen Moment nichts zu sagen.
Drei Situationen, in denen Stille Gold wert ist
Die Faktenlage ist unsicher
Ein Statement ohne gesicherte Informationen ist wie ein Kartenhaus im Sturm. Nachträgliche Korrekturen beschädigen Glaubwürdigkeit und bleiben oft stärker hängen als das eigentliche Thema.
Das Thema ist kleiner als die eigene Reichweite
Wer sich zu jedem Mini-Kritikpunkt äußert, macht ihn oft erst groß. Medien greifen gern auf offizielle Reaktionen zurück und damit wird aus einem Nischenthema eine Schlagzeile.
Die Diskussion verläuft toxisch
In Social-Media-Debatten, die bereits in Richtung Shitstorm laufen, verstärkt jede Reaktion die negative Stimmung. Strategisches Aussitzen kann helfen, bis sich die Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema richtet.
Schweigen ≠ Nichtstun
Stille ist nur dann strategisch, wenn sie bewusst gesteuert wird. Wie zum Beispiel durch folgende Maßnahmen:
Monitoring: Social Listening und Medienbeobachtung, um Stimmung und Dynamik einzuschätzen.
Vorbereitung: Ein fertiges Statement in der Hinterhand für den Moment, in dem ein Statement nötig wird.
Interne Abstimmung: Führung, Recht, HR – alle müssen informiert werden, warum gerade kein Statement erfolgt.
Timing: Stille ist kein Dauerzustand. Sie endet idealerweise mit einer gezielten, klaren Botschaft.
Ein oft unterschätzter Vorteil von strategischem Schweigen ist die Möglichkeit, das Informationsgefälle zu eigenen Gunsten zu nutzen. Wer bewusst nicht sofort reagiert, verschafft sich Zeit, um Reaktionen anderer Akteure zu beobachten, Stimmungen zu messen und mögliche Narrative zu identifizieren, bevor man sich selbst festlegt. Das erlaubt nicht nur eine gezieltere inhaltliche Ausrichtung der späteren Botschaft, sondern auch eine präzisere Auswahl der Kanäle und Sprecher. In vielen Fällen lassen sich dadurch Fehleinschätzungen vermeiden, die entstehen, wenn man unter Zeitdruck „auf Verdacht“ kommuniziert. Stille ist damit nicht nur defensiv, sondern kann proaktiv genutzt werden, um den Diskurs indirekt zu beeinflussen – indem man erst kommuniziert, wenn man den Verlauf des Gesprächs wirklich verstanden hat.
Best Practices für kontrollierte Stille
Kommunikation ins Private verlagern
Konflikte oder Kritikpunkte zunächst 1:1 mit Beteiligten klären, bevor man öffentlich reagiert.
Kontext verschieben
Wenn das Umfeld gerade überhitzt ist, kann man die eigene Botschaft in einem ruhigeren Nachrichtenzyklus platzieren.
Interne Transparenz schaffen
Mitarbeiter:innen müssen wissen, warum extern nichts kommuniziert wird, da sonst intern Gerüchte entstehen können.
In der PR gewinnt nicht automatisch, wer am schnellsten kommuniziert, sondern wer zum richtigen Zeitpunkt das Richtige sagt. Strategisches Schweigen erfordert Mut, Fingerspitzengefühl und ein gutes Verständnis für Medienmechanismen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein sinnvolles Werkzeug.
Manchmal ist die lauteste Botschaft die, die man nicht ausspricht.
















